Ein Nachschlagewerk für Investoren

Unternehmensansiedlung Belgien-Deutschland

 

Nach dem „Juristen-Traum“, der gerade erschienenen Übersetzung des belgischen Gesetzbuches, und nach der Bearbeitung des belgischen Arbeitsrechts für deutschsprachige Leser durch Bachmann/Müller-Trawinski versuchen 5 Autoren, den deutschen Investoren auch die Regeln der belgischen Bürokratie rund um Abgaben, Gesellschaften und Sozialem mit ihren Gestaltungsmöglichkeiten näher zu bringen.

Daraus wurde ein juristisches und betriebswirtschaftliches Fachbuch – das aber einem beherzten Unternehmer, der nicht gerade vom Fach ist, kaum eine Chance lässt.

 

Mit dem Einstieg „Unternehmen in Europa“ werden die Standortvorteile der deutschsprachigen Kantone Eupen und St. Vith vorgestellt. Auf über 200 Seiten wird danach das belgische Steuer-, Niederlassungs- und Arbeitsrecht erörtert.

In einem zweiten Teil werden danach die Texte der deutschen Abgabenordnung sowie des Einkommens- und Umsatzsteuerrechts abgehandelt. Auf einigen Seiten werden die Regeln an Hand von Rechenbeispielen exerziert. Ein mutiges Unterfangen in Anbetracht der Tatsache, dass bereits Hunderte von vergleichbaren Veröffentlichungen namhafter deutscher Autoren vorhanden sind. Mit allen didaktischen Mitteln wird seit jeher versucht, die Untexte des deutschen Steuerrechts lesbar zu machen. Steuerliteratur wird aber in Belgien vor allem auf Französisch gelesen. Ein Ratgeber mit dem Titel „grenzüberschreitende Unternehmensansiedlung in Belgien und Deutschland“ wird also ohne eine Übersetzung aus dem Französischen kaum die interessierten Investoren außerhalb der Ostkantone in Belgien erreichen.

Steuerlicher Nutzen

Das Verdienst des Buches liegt daher auf dem ersten Teil, der sich mit dem belgischen Unternehmensrecht für deutsche Investoren auseinandersetzt. Schwerpunkte sind eine Einführung in das belgische Steuerrecht, welche sich mit dem steuerlichen Nutzen der unterschiedlichen Steuersubjekte und – objekte genauso befasst wie mit den Rechtsbehelfen. Es folgt eine Darstellung der gängigen Formen der Niederlassung, deren Gründungsformalitäten, bürokratische Pflichten und die Besteuerung. Vor allem wird auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage mit vielen Beispielen eingegangen. Es werden zunächst der Begriff der „Filiale“ erklärt und in einem weiteren Kapitel die sozialrechtlichen Aspekte, angefangen vom Arbeitsvertrag bis hin zu den Sozialversicherungspflichten. Ganz am Ende des Buches werden am Beispiel einer deutschen Tochtergesellschaft mit einer belgischen Mutter noch Ertragssteuern berechnet und die Dividendenausschüttung simuliert. Schließlich werden die GmbH mit der SPRL und die Aktiengesellschaft mit der SA verglichen.

Für ausländische Investoren hat Belgien seinen Reiz. Nach dem Frühwerk „Wirtschaftspartner Belgien“ des Economica-Verlags oder dem regelmäßig aktualisierten Ratgeber „Die Belgischen Steuern“ der Debelux – Kammer zeichnet sich das vorliegende Buch durch eine breitere Bearbeitung des Unternehmensrechts aus. Es wird interessierten Fachleuten viel technisches Wissen vermitteln können.

Abgesehen von niedrigen Steuern für KMU’s wird auf die steuerliche Optimierung durch Lizenzeinnahmen genauso wie auf die in Europa einmalige Abzugsfähigkeit „fiktiver Zinsen“ auf Kapitaleinlagen eingegangen. Die Regeln des Arbeitsrechts mit den sozialen Lasten dürfen in einem solchen Leitfaden nicht fehlen, die prägnant zusammengefasst sind.

Vermisst wird das belgische Umsatzsteuerrecht mit seiner ganzen formalen Schärfe und Strafbewehrung bei Regelwidrigkeiten. Tipps dazu, wie der belgische Fiskus mit den seit Anfang 2010 europaweit geltenden neuen Mehrwertsteuerregeln das Verfahren für grenzüberschreitend arbeitende Dienstleister „optimieren“ will, hätten womöglich die Auflage erhöht.

Manchmal oberflächlich

Zu den Interessenten zählen vor allem die vielen Bau- und Montagefirmen, die regelmäßig bei Audi und den anderen Autobauern, bei BASF oder den öffentlichen Auftraggebern in Belgien wertvolle Arbeit finden. Die Ausführungen des besprochenen Buches dazu sind manchmal oberflächlich. Solche Betriebe werden einschließlich ihrer Arbeitnehmer aufgrund einer bestimmten Baustellendauer auf belgischem Boden steuerpflichtig. Maßstab sind allerdings nicht 9 (S.186), sondern 12 Monate. Die Begründung ist allerdings auch Finanzbeamten nicht immer geläufig. Für die Kalkulation eines Unternehmers kann dieser Unterschied aber „kriegsentscheidend“ sein.

Dass eine Aktiengesellschaft „mindestens 3 Personen“ (S.112) für den Verwaltungsrat vorschreibt, war früher einmal so. Seit Jahren genügen schon 2 Personen, wenn die AG wie so oft nur 2 Teilhaber hat. Bei der Darstellung des Gesellschaftsrechts wäre der Hinweis förderlich gewesen, dass Belgien sich ganz aktuell darum bemüht, Jungunternehmen die Gründung einer Gesellschaft vorläufig auch ohne Kapital zu ermöglichen (SPRL-S).

Über solche Holprigkeiten oder Auslassungen muss man hinwegsehen. Diese dürfen die erhebliche Arbeit, die im Sammeln und Übersetzen wertvoller Informationen liegt, nicht schmälern. Für Interessierte, die ihre Expansion in den belgischen Markt erfolgreicher und effektiver gestalten möchten, ist der erste Buchteil durchaus empfehlenswert.

Das Buch umfasst insgesamt 503 Seiten und kann im Buchhandel bestellt werden.
 
Unternehmen Europa
Grenzüberschreitende Unternehmensansiedlung zwischen Belgien und Deutschland unter dem Aspekt der gesellschaftsrechtlichen, steuerrechtlichen und sozialrechtlichen Optimierung.
Autoren: Axel Gierspeck, Dirk J. Lamprecht, Michael Multhaupt, David Chantraine, Andreas Koch
2010, 1. Auflage, 503 Seiten, Maße: 15,1 x 21,3 cm, Kartoniert, Better Solutions Verlag  ISBN-10: 398112636X  ISBN-13: 9783981126365. Preis 49 Euro

 

Von Walter Grupp
Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 27/03/2010.